Mein philosophischer Hintergrund und
meine Idee von philosophischem Arbeiten

(Nov 2021 :: 527 Wörter)

Ich habe Philosophie, Geschichte und Kunstgeschichte in Heidelberg und Aachen studiert und es genossen, in Seminaren über ein ganzes Semester hinweg nicht über die ersten Seiten eines Buches hinauszukommen. Ich habe den ‚Zauber‘ der Philosophie kennengelernt und die Tiefe von Gedankengängen bewundert, wie sie uns seinerzeit noch in einem vergleichsweise ruhigen Rhythmus nahegebracht wurden.

Ich habe mich für meine Magisterarbeit durch Heideggers Denken gearbeitet und habe besonders durch seine Vorlesungen viel gelernt. Großartig, was er geschaffen, und schade, ja, dass er in bestimmten Dingen so fehlgedacht hat. Dennoch meine ich: Bedauerlich, dass man ihn zu einer Persona non grata erklärt und beschlossen hat, wir lesen ihn nicht mehr, denn damit bringt man sich um einen sehr wertvollen Beitrag zur Philosophie. Es ist traurig, einer solchen Selbstamputation der Philosophie nur zusehen zu dürfen, ohne einzugreifen zu können, da auch alle wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Verfemten direkt mit in Ungnade fällt, weshalb eine Relativierung oder Kontextualisierung der Verurteilung dann, zunächst jedenfalls, nicht mehr gut möglich ist.

Während des Studiums und in Kolloquien habe ich eine Menge; bei Kongressen oder anderen Großveranstaltungen hingegen eigentlich kaum etwas gelernt oder mitgenommen, das mich länger beschäftigt hätte. Mag sein, dass das eben jeweils nicht den richtigen Rhythmus hatte. Bei kleineren Symposien lugt manchmal noch die Faszination an der Philosophie um die Ecke: die, die dazu geführt hat, dass man das alles einmal studiert und unbedingt gegen alle Sinnfragen und Widerstände gewollt hatte. So fühle ich mich wohl eher einem vergangenen philosophischen Zeitalter zugehörig, in dem die akademische Welt bestimmte, heute obligatorische Arbeitsweisen noch nicht kannte, nicht das heutzutage übliche Maß der Quantität von Publikationen, nicht die heutzutage allgemeine Umtriebigkeit und nicht die Merkantilisierung des wissenschaftlichen ‚Outputs‘ mit allen Blüten, die das treibt. Für andere Wissenschaften mögen diese Gepflogenheiten zweckmäßig sein – für die Philosophie sind sie es nicht. Ihr intrinsischer Wert als Meta-Wissenschaft fordert in meinen Augen andere Umgangsweisen, nämlich in viel größerem Maße Zusammenarbeit und Teamgeist und eine viel größere Aufmerksamkeit für die Vermittlung philosophischer Überlegungen an Einzelwissenschaften, an Wirtschaft und Politik wie auch an die Alltagswelt.

Mit Blick auf den Publikationshype, den wohl niemand wirklich so herbeigerufen hat, den wir aber auch nicht mehr loswerden, bin ich der Auffassung, dass schon genug Wörter und Sätze auf die Welt losgelassen werden; zusammengerechnet mit denen längst verstorbener Autoren ist die Summe alles Gesagten gegenwärtig bereits ins Unabsehbare angeschwollen und wird erst Recht in Zukunft exorbitant anschwellen. Sie ist bereits jetzt und wird erst Recht in Zukunft natürlich nicht mehr zu bewältigen sein, so dass sich die Philosophie immer stärker in einzelne Disziplinen aufteilt, die gegen einander keine Zugänge mehr offen halten können. Warum das alles? Für den Bau von Karriereleitern? Für objektiv nachvollziehbare Elitenbildung? Ich halte die Zwänge, die damit einhergehen, den ständigen Aktionismus und den Stress, unbedingt die Frequenz eigener Publikationen so hoch wie irgend möglich zu halten, für gedanken- und philosophiefeindlich und finde es insbesondere äußerst betrüblich, dass das eben selbstverstärkende Entwicklungen sind. Die mit diesen Usancen verknüpfte Priorisierung aktueller AutorInnen und die inzwischen wahrhaft erschütternden Halbwertzeiten dessen, was ‚aktuell‘ genannt werden darf, führen im Übrigen dazu, dass häufig älteren Beiträgen nicht mehr die Aufmerksamkeit zukommt, die sie eigentlich verdient haben.

 

DE
EN

Diese Website verwendet Cookies, um ein optimales Surfen zu ermöglichen.

Dazu gehören wesentliche Cookies, die für den Betrieb der Website erforderlich sind, sowie andere, die nur für anonyme statistische Zwecke, für Komforteinstellungen oder zur Anzeige personalisierter Inhalte verwendet werden. Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass aufgrund Ihrer Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website zur Verfügung stehen werden.

Diese Website verwendet Cookies, um ein optimales Surfen zu ermöglichen.

Dazu gehören wesentliche Cookies, die für den Betrieb der Website erforderlich sind, sowie andere, die nur für anonyme statistische Zwecke, für Komforteinstellungen oder zur Anzeige personalisierter Inhalte verwendet werden. Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass aufgrund Ihrer Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website zur Verfügung stehen werden.

Ihre Cookie-Einstellungen wurden gespeichert.